Kurzer Hinweis auf einen spannenden Artikel im Unispiegel über die modernen Hochschulen und ihren Einfluss die Figur des Professors / der Professorin. Der Autor, selbst Prof. für Kulturwissenschaft, macht ein paar ganz gute Argumente dafür, wie die veränderte Situation an den Hochschulen einen bestimmten Typus von Professor_in behindert, einen anderen begünstigt. Ich finde was er schreibt, trifft eigentlich besonders auf Disziplinen wie die Politische Theorie zu, auch wenn er sich darauf nicht gesondert bezieht. Was meint ihr, ist es in Zeiten von Bologna, Internet und Exzellenz schwerer zum bücherwälzenden Gelehrten zu mutieren?
Den Artikel findet ihr hier: Hochschulkultur: Wie Unis Genialität verhindern.
Ich denke, die Entwicklungen, die der Autor beschreibt, sind auf keinen Fall von der Hand zu weisen. Was mir im Beitrag allerdings ein wenig fehlt, ist eine kritische Perspektive auf genau diese Figur des genialen Gelehrten, der für sich in seinem Kämmerlein arbeitet: Ist das wirklich eine so wünschenswerte Figur in einer Zeit, in der Zugang zu Wissen nicht mehr so exklusiv ist wie früher? Gibt es da nicht andere Perspektiven, in der Wissenschaftler_innen weder Manager sind, noch allwissende Halbgötter? Das muss doch irgendwie gehen.
Der Darstellung des derzeitigen Uni-Betriebs von Klaus P. Hansen in diesem Artikel kann ich nur voll und ganz zustimmen. Vielen Dank für diesen Link-Hinweis!
Er schreibt: „Moderne Studiengänge, mit deren Hilfe Universitäten in Wettbewerb treten, entfernen sich gern von den klassischen Fächern und bieten an ihrer Stelle Konglomerate wie die „European Studies“ oder die in Passau erfundenen „Diplomkulturwissenschaften“. In beiden Fällen ist der Fokus zu groß, das Resultat ist die bloße Addition von verbindungslosem Wissen.“
Das Problem mit dem zu großen Fokus tritt nicht nur in den „Konglomeraten“, sondern auch in vermeintlich homogenen Studiengängen auf. In meinem Master „Parlamentsfragen und Zivilgesellschaft“ müssen neben politikwissenschaftlichen Modulen zu den titelgebenden Themen auch (als Wahlpflichtmodule) zwei Jura- und zwei Ökonomie-Module belegt werden. Der Zusammenhang zu Parlamentsfragen oder Zivilgesellschaft ist bei vielen der zur Wahl stehenden Modulen (z. B. Umweltökonomik, Nachhaltigkeitsmanagement, Wirtschaftsethik globaler Herausforderungen …) nicht erkennbar. Aber auch im ganz normalen Politik-Bachelor wird man – zumindest in Halle – meist mit sehr vielen unterschiedlichen Themen und Texten konfrontiert. In politischer Theorie wird nicht eine oder zwei bestimmte Theorietraditionen in allen Details gelehrt, sondern zu jeder Vorlesung ein neuer Text einer ganz anderen Richtung durchgenommen. Das wird dann vielleicht noch als Theoriepluralismus gefeiert. Aber es findet dadurch keine vertiefte Auseinandersetzung mit einem Autor/einem ganzen Buch statt; es gibt kaum Texte, die man in mehreren Seminaren wiederholt liest.
Man liest von allen Büchern ja nur mal ein, zwei Kapitel – wer ganze Bücher im Studium lesen will, muss das in seiner Freizeit privat machen. Fürs Studium bzw. fürs „Creditpoints-Sammeln“ ist das Lesen ganzer Bücher nicht vorgesehen. Oder es ist die ganz große Ausnahme: es gab mal ein Theorie-Seminar nur zum Thema Entfremdungsbegriff bei Marx oder in der Soziologie Lektürekurse z. B. zu Adornos „Erziehung zur Mündigkeit“ – diese Kurse waren ein Genuss, man konnte sich mal in ein Thema richtig ausführlich vertiefen und hat sofort mal was verstanden und mitgenommen. Das sind aber wirklich die Ausnahmen, obwohl es doch eher die Regel sein sollte?! Ich fordere jedenfalls mehr Lektüreseminare und weniger Theorievorlesungen mit einer Theorie pro Woche.
Hallo,
danke für den Post und den interessanten Einblick in einen anderen Master.
Ich kann sowohl zustimmen als auch in Teilen den Beitrag ablehnen. Ich bin da eher unentschlossen.
Für mich wirkt die Argumentation des Prof’s arg konservativ und sie folgt eher dem Motto „Früher war alles besser. Gebt uns die Goldene Zeit des Lehrstuhl-Gelehrten wieder.“ Diese Zeit möchte ich nicht wieder! Was nicht nur damit zu tun, dass sie stark am Lehrstuhl-Inhaber selbst hing und damit stark hierarchische Züge aufwies (was Lehre und Forschung angeht). Sondern auch weil diese Spezialist_innen sich in einem ziemlich kleinen „Dunstkreis“ bewegten. Es ist von Vorteil seine eigene Disziplin zu kennen, aber so werden auch wissenschaftliche Scheuklappen angelegt. Gerade wenn ich weiß, was in anderen Disziplinen vor sich geht, kann ich dort neue Ideen oder Anregungen bekommen, die mir sonst verschlossen blieben würden. Eine Einführungsvorlesung oder mal ein fachfremdes Seminar können da aus meiner Sicht nicht schaden (Ich besuche und besuchte z. B. Jura-Veranstaltungen zu Völkerrecht und fand das sehr interessant, weil meist der Rechtsbereich in der Politikwissenschaft ausgeblendet wird. Also nach dem Schema: „Wozu mit Recht beschäftigen? Dazu haben wir die Jurist_innen!“). Ich würde also die viel beschworene „Interdisziplinarität“ nicht völlig abschreiben. Sehe aber auch wie ihr solch komplett konzipierten Studiengänge wie in Passau oder in Bremen mit „Komplexes Entscheiden“ eher kritisch.
Bezüglich des Bücher Lesens stimme ich euch voll zu. Das fehlt und sollte geändert werden.
Was jedoch die Intensivierung auf 1-2 Theorien pro Veranstaltung angeht, wäre ich eher skeptisch. Ich würde so vermuten, dass es a) zur Schulenbildung kommen würde, weil dann manche Dozierende nur noch ihre „Lieblingsphilosophen(!)“ behandeln und ich das ablehnen würdeund b) auch wieder Scheuklappen produziert werden. Ich würde also insofern die Idee von Stefan D. teilen, dass Seminare gerne theoretisch enger gestaltet werden sollten. Vorlesungen hingegen, die weiter den „Theoriepluralismus“ abbilden, würde ich präferieren.
Viele Grüße!
PS: Und apropo „Interdisziplinarität“. Es gibt eine neue Graduiertenschule in Konstanz. Deren Name ist „Entscheidungswissenschaften“ 😉 Hier der Link zu einem Bericht im dradio: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/2061429/
Ich machst mir mal einfach und stimme euch beiden nochmal zu. Ja, es ist wirklich Käse, wie das mit den Bachelor- und Masterstudiengängen veränderte Curriculum ganz strukturell bestimmte Sachen an den Hochschulen erschwert. Ich hatte glaub ich in meinem ganzen Studium ein einziges Lektüre-Seminar, und das war aus dem Wahlpflichtbereich. Gerade in komplexe Sachverhalte oder anstengende theoretische Grundfragen kann ein Überblickstudium garnicht einführen. Aber ist das Hauptproblem dabei nicht auch der knappe Zeithorizont, in den sich ja ausnahmslos alle Studiengänge reinquetschen müssen? Warum gibts keine Bachelor, die auf 10 Semester oder so ausgelegt sind, wenn das, was sie vermitteln sollen, vielleicht einfach mehr Zeit braucht? Auf der anderen Seite stellt sich für das wissenschaftliche Personal natürlich die Frage, ob man auf befristeten Stellen und unter dem Druck 4 Papers im Jahr zu schreiben, wirklich Bock hat für eine Aufsatz nochmal im Kapital Band 1 bis 3 zu schmökern?
Und ja, ich finde diese Beschwörung der goldenen Ära des Gelehrten wirklich daneben. Ich seh da nicht nur die Gefahren von persönlichen Abhängigkeiten und Schulenbildung, auch das ganze Thema Elitismus schwingt da mit. Wenn ich z.B. Adorno lese, dann denk ich immer, das ist ja alles ganz cool, theoretisch gesehen, aber meine Güte was für ein elitärer Habitus da mitschwingt… Eigentlich denke ich, dass man das sehr wohl unter einen Hut bekommt: Einerseits raus aus dem Elfenbeinturm, andererseits genug Zeit (und Mittel!) für komplexe Sachfragen und kritisches und reflektiertes Denken. Da gibt es doch auch genug gute Beispiele für, nur fehlen da die Strukturen an den Hochschulen um das wirklich in der Breite auch zu fördern.