Politische Theorie oder politische Theorie? (Teil III)

Von Clelia Minnetian, Frederik Metje, Janosik Herder & Verena Häseler

Panel 5: Heterogenität des Politischen

Das fünfte Panel befasst sich mit dem Thema der Heterogenität des Politischen. Jeanette Ehrmann beschäftigt sich mit der Haitianischen Revolution mit dem Ziel einer Dekolonisierung des Politischen. Im zweiten Vortrag präsentieren Sebastian Huhnholz und Karsten Fischer ihre Überlegungen zum Politischen und der Orestie. Abschließend geht Alexander Weiß auf den Begriff des Politischen bei Wang Hui und Chantal Mouffe ein und präsentiert ein schematisches Modell mit dem Ergebnis, dass sowohl der Maoismus als auch der Liberalismus entpolitisierend wirken, da beide zu schwindender Resonanz und Kontingenz führen.

Vortrag: Martin Nonhoff: Radikale Demokratie oder Populismus? Spielarten des Politischen in der Hegemonietheorie

Martin Nonhoff fokussiert in seinem Vortrag die Unterscheidung zwischen radikaler Demokratie und Populismus, wobei er sich gegen die Verwendung des Populismusbegriffes für neue emanzipative politische Projekte ausspricht, wie dies etwa durch Chantal Mouffe vertreten wird. Denn – so seine These – besteht zwischen dem Populismus und der radikalen Demokratie zwar eine gewisse Ähnlichkeit, allerdings zeigen sich bedeutende Unterschiede in Bezug auf das Herrschaftsverständnis. Radikaldemokratische Perspektiven Politische Theorie oder politische Theorie? (Teil III) weiterlesen

Zur Diskussion: 9 Thesen zur Überwindung des Kapitalismus

Die folgenden Thesen basieren auf dieser Grundüberlegung, die aus meiner Sicht ein Konsens unter antikapitalistisch denkenden Menschen darstellt: Der Kapitalismus führt die Menschheit früher oder später in die Katastrophe, genauer: zum Untergang der Menschen entweder durch Unbewohnbarkeit des Planeten oder einen (nuklearen) Weltkrieg um völlig ungleich verteilte Ressourcen (Wasser, fossile Brennstoffe, Geldkapital …). Es ist also notwendig, das zerstörerische kapitalistische System zu überwinden und eine alternative Gesellschaftsordnung aufzubauen. Da keine bessere Alternative als die sozialistische mir vorliegt, schlage ich eine sozialistische Umwälzung vor, die aus den Fehlern und Erkenntnissen der vergangenen und gegenwärtigen sozialistischen Versuche lernt. Die hier formulierten Thesen sollen Grunderkenntnisse aus den sozialistischen Kämpfen der vergangenen 150 Jahre zusammenfassen und einen möglichst rationalen Weg zur Überwindung des kapitalistischen Gesellschaftssystems aufzeigen. Damit beanspruche ich keine Vollständigkeit, vielmehr stellen diese Thesen nur den Ausgangspunkt für weitergehendere, umfangreichere Überlegungen dar.

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Thomas Piketty: „Das Kapital im 21. Jahrhundert“

Kein anderes politisches Buch hat in den letzten Jahren für derartige Furore gesorgt wie Thomas Pikettys „Das Kapital im 21. Jahrhundert“. Pikettys zentraler Befund: Im Zuge der kapitalistischen Entwicklung konzentriert sich der gesellschaftliche Reichtum immer stärker in den Händen der Kapitalbesitzer.

Was aber folgt daraus? Kann von Aufstieg durch Arbeit heute keine Rede mehr sein? Erodiert somit letztlich die Legitimationsgrundlage der gesamten kapitalistischen Ordnung?

Darüber diskutieren mit Thomas Piketty zum Erscheinen der deutschen Ausgabe (im Verlag C.H. Beck) im Haus der Kulturen der Welt: die Philosophin Susan Neiman, der Politikwissenschaftler und »Blätter«-Mitherausgeber Hans-Jürgen Urban und der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl, moderiert von Mathias Greffrath.

Simultanübersetzung (Deutsch): Lilian-Astrid Geese (Haus der Kulturen der Welt)

Die »Democracy Lecture« der »Blätter für deutsche und internationale Politik« wird in Zusammenarbeit mit dem Haus der Kulturen der Welt organisiert.

Besprechungen des Buches:

Ekkehard Lieberam: Entschleierte Verhältnisse. Pikettys Ungleichheitsanalyse kritisch gewürdigt, Junge Welt vom 01.09.2014 (Online-Abo notw.)

Georg Fülberth: Die Empirie als Waffe. Thomas Pikettys kolossale Geschichte der Verteilungsverhältnisse im 20. Jahrhundert, Junge Welt vom 08.10.2014 (frei)

Thomas Steinfeld: Rendite schlägt Wachstum, Süddeutsche Zeitung vom 22.04.14

 

Offene Textrunde (III): André Gorz: Strategie der Arbeiterbewegung

Mit André Gorz betreten wir ein theoretisches Feld, das meiner Wahrnehmung nach gegenwärtig kaum noch nennenswerte Beachtung geschenkt wird. Bei Gorz haben wir es mit einem Autoren aus dem Umfeld von Jean-Paul Sartre zu tun, also einem Anhänger der Existentialphilosophie und des Marxismus, der sich im Gegensatz zu den Anhängern des von ihm kritisieren Parteimarxismus nicht scheut, die Lehren von Karl Marx zu überdenken oder auch zu verabschieden (Siehe Gorz 1980). Seine theoretischen, existentialistischen Grundannahmen sind eng mit seiner Biografie verbunden. Darauf möchte ich hier nicht en detail eingehen (vgl. dazu Krämer 2013 und Schafroth 2008), bemerkenswert ist aber u. a., dass Gorz unter zwei verschiedenen Namen publizierte (als Michael Busquet die journalistischen Texte, als André Gorz seine theoretisch-philosophischen Schriften) und dass er aufgrund der unheilbaren Krankheit seiner Frau den gemeinsamen Freitod wählte. Die Themen seiner Texte sind sowohl arbeitssoziologischer, politischer, ökologischer als auch sozialphilosophischer Natur.

Der von mir ausgesuchte Text „Zur Strategie der Arbeiterbewegung im Neokapitalismus“ ist genau 50 Jahre alt. Er steht exemplarisch für das praxisphilosophische Gesamtwerk von Gorz, der eigentlich in allen seinen Werken Antworten auf die Frage sucht: „Was hindert die Menschen zu sich selbst zu kommen, d. h. die bewußten Subjekte ihrer Handlungen zu werden und sich durch diese allseitig zu entfalten?“ (DGB-Bundesvorstand 1984: 20) Die Antworten, die Gorz gibt, haben in den 1960er bis 1980er Jahren die sozialen Bewegungen, von den 68ern über ökologische bis zu linken Gewerkschaftsbewegungen, angeregt und Anfang der 1970er sogar die politische Programmatik der Jusos und des Studierenverbandes SDS beeinflusst. Warum das Interesse an Gorz spätestens Ende der 1980er schwand, soll hier nicht erörtert werden. Meine These lautet, dass Gorz’ theoretischen Schriften mehr Aufmerksamkeit der gegenwärtigen emanzipatorischen Linken verdienen, da sie eine dem modernen Kapitalismus angepasste neomarxistische Theorie anbieten, die zugleich selbstkritisch mit den Irrtümern und theoretischen Fehlentwicklungen der im 20. Jh. dominierenden linken Strömungen (Sozialdemokratie und Marxismus-Leninismus) umgeht. Die Stärken von Gorz sind auch die auf seine eigenen politischen Ideen bezogene Selbstkritik und eine m. E. für breite gesellschaftliche Kreise verständliche Ausdrucksweise. Offene Textrunde (III): André Gorz: Strategie der Arbeiterbewegung weiterlesen

Brunkhorst: Dr. Jekyll & Mr. Hyde als Figuren Europas

Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind geschehen und das Tauziehen um die Ausgestaltung der Europäischen Union (und ihrer politischen Ämter) geht in eine nächste Runde. Der glühende Kritiker der technokratischen EU und emphatische Verteidiger der europäischen Ideale Hauke Brunkhorst (Uni Flensburg) hat pünktlich zur Wahl ein Buch im Suhrkamp vorgelegt. Im „Das doppelte Gesicht Europas. Zwischen Kapitalismus und Demokratie“ bezeichnet er Europa als den (dialektischen) Widerspruch zwischen dem emanzipatorisch-kritischen Dr. Jekyll und dem technokratisch-funktionalistischen Mr. Hyde und plädiert schließlich für eine „Transnationalisierung des demokratischen Klassenkampfes“ (Brunkhorst 2014: 160). Brunkhorst: Dr. Jekyll & Mr. Hyde als Figuren Europas weiterlesen