Gilles Deleuzes ‚Postskriptum über die Kontrollgesellschaft‘ ist ein faszinierendes und zugleich etwas kryptisch anmutendes Manifest. Das grundlegende Argument des Textes ist, dass wir uns im Übergang von einem alten Gesellschaftstyp in einen neuen befinden. Dieser neue Typ ist die Kontrollgesellschaft mit ihren besonderen Eigenschaften. Der französische Philosoph schrieb den Text im Jahr 1990, viele von den damals angesprochenen Entwicklungen und Fragestellungen scheinen aber erstaunlicherweise erst heute wirklich relevant zu werden. Ich habe den Text auch deshalb für den Lesekreis ausgewählt, weil mir diese Tatsache zumindest ein bisschen erklärungsbedürftig erscheint. Meine erste und vielleicht grundlegende Frage ist also, warum ein 24 Jahre alter Text so klar bestimmte Entwicklungen benennen kann, etwa die Veränderung der Arbeitswelt, den Zerfall der Institutionen oder die Bedeutung des Computers in allen Lebensbereichen? Gerade der sloganartige Schluss des Textes passt unverändert auf die gegenwärtigen Diskussion über das unternehmerische Selbst und die zunehmende Individualisierung. Doch zurück zum Anfang.
Offene Textrunde (V) – Gilles Deleuze ‚Postskriptum über die Kontrollgesellschaft‘ weiterlesen